Als im Januar über 1,4 Millionen Menschen gegen die menschenfeindliche Rhetorik der AfD protestierten, schien es, als ob Deutschland ein klares Zeichen setzen wollte. Die Diskussionen um Deportationen, die in den radikalisierten Kreisen der AfD mittlerweile zur Normalität geworden sind, hatten eine rote Linie überschritten. Für viele Bürger und Bürgerinnen war dies der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die „Demos gegen Rechts“ sollten ein Signal setzen, ein klares „Bis hierhin und nicht weiter!“ an eine politische Landschaft, die sich immer weiter nach rechts verschiebt. Doch was ist geblieben? Ernüchterung.
Das linke Lager in der Sackgasse
Trotz der massiven Mobilisierung und des klaren Potenzials, das in diesen Demonstrationen lag, schaffte es das linke Lager nicht, daraus politisches Kapital zu schlagen. Stattdessen sahen wir eine beispiellose Anpassung der etablierten Parteien an den rechten Diskurs. Während die Linke ihre Haltung gegen den Rechtsruck bewahrte, machten alle anderen Parteien Schritte in Richtung einer restriktiveren Asylpolitik. Die CDU wirbt mit teilweise radikaleren Positionen als die AfD, die SPD setzte auf Abschiebungen im großen Stil, und selbst die Grünen, die einst als Bollwerk gegen rechte Politik galten, stimmten mit Bauchschmerzen zu. Die FDP? Sie tat es mit einem Lächeln.
Diese Verschiebung nach rechts hat nicht nur die Proteste entwertet, sondern den Diskurs weiter in die extreme Ecke gedrängt. Das ausbleibende AfD-Verbotsverfahren suggeriert den AfD-Wähler*innen, sie sei eine legitime, demokratische Alternative. Experten verweisen oft auf das Fehlen eines umfassenden Verfassungsschutzberichts zur Gesamt-AfD, doch darf man nicht vergessen, dass Hans-Georg Maaßen, einst Chef des Verfassungsschutzes, heute, und vermutlich auch damals, der AfD nahesteht. Die Tatsache, dass Skandale wie der NSU-Komplex bis heute nicht vollständig aufgeklärt sind, unterstreicht, dass der Verfassungsschutz auf dem rechten Auge blind ist – eine Blindheit, die es der AfD erlaubt, weiterzuwachsen und die Gesellschaft zu radikalisieren.
Die Normalisierung des Extremen
Die politischen Reaktionen auf die Demos gegen Rechts haben letztlich nur eine Wirkung erzielt: eine verebbte Empörungswelle, die die Normalisierung extremen Gedankenguts vereinfachte. Anstatt sich entschieden gegen die AfD zu stellen und alternative, progressive Lösungen zu bieten, haben die etablierten Parteien versucht, sich rechts zu positionieren, um der AfD das Fahrwasser abzugraben. Doch dies ist ein fataler Irrweg. Diese Strategie hat nicht nur die AfD weiter legitimiert, sondern den politischen Diskurs insgesamt nach rechts verschoben. Ressentiments werden geschürt, Extremismus wird als legitime politische Position normalisiert, und die Gesellschaft wird weiter gespalten.
Diese Entwicklung untergräbt das Vertrauen in die demokratischen Institutionen und nährt den Boden für eine breitere Radikalisierung. Diejenigen, die durch reale Abstiegsängste und existenzielle Sorgen zur AfD getrieben werden, finden keine Antworten mehr bei den Parteien, die einst für soziale Gerechtigkeit und Solidarität standen. Die SPD, die ehemalige Arbeiterpartei, hat den Großteil ihres Wählerpotenzials an die AfD verloren, während ihre einzige Lösung der Mindestlohn bleibt. Steuerentlastungen sind kaum möglich, da die Hauptlast weiterhin auf niedrigen und mittleren Einkommen lastet. Auch die Grünen, die einst für einen sozialverträglichen Klimaschutz angetreten sind, haben es in der Ampel nicht geschafft, den sozialen Schwerpunkt zu setzen.
Eine verpasste Chance
Statt sich auf die Strohmann-Argumente der AfD einzulassen, hätten die linken Parteien die wahren Ursachen ansprechen müssen, die die AfD so stark machen: die realen Ängste vor sozialem Abstieg, die viele AfD-Wähler antreiben. Denn im Gegensatz zur AfD könnten linke Parteien echte Lösungen anbieten. Doch anstatt die neoliberale Ideologie infrage zu stellen und die entscheidenden Probleme anzugehen, haben sie sich auf die rechte Identitätspolitik eingelassen.
Dieser Verrat an den eigenen Idealen untergräbt nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern sorgt auch dafür, dass der Rechtsruck weitergeht. Die Demos gegen Rechts, einst ein starkes Symbol des Widerstands, sind im Sand verlaufen. Statt den politischen Kurs zu korrigieren und den Kampf gegen die AfD konsequent fortzusetzen, haben die Parteien den Moment verpasst – und damit eine historische Chance vertan, die Demokratie gegen die Gefahr von rechts zu verteidigen.
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