Im Laufe der Geschichte haben sich politische und wirtschaftliche Systeme ständig weiterentwickelt. Der Feudalismus, einst von Monarchen und Adeligen dominiert, wurde durch den Liberalismus abgelöst, der Freiheit und Gleichheit propagierte. Im 20. Jahrhundert brachte der Keynesianismus einen beispiellosen Wohlstand für die breite Masse und schuf eine Mittelschicht. Die Einführung des Keynesianismus, der auf staatliche Interventionen zur Stabilisierung der Wirtschaft setzte, führte zu einer Phase des allgemeinen Wohlstands. Doch mit dem Ende des Keynesianismus und dem Aufkommen des Neoliberalismus in den 1980er Jahren wandelte sich die Gesellschaft erneut. Der Neoliberalismus, setzte auf Deregulierung, Privatisierung und freie Märkte, was zu einem enormen Reichtum für einige wenige und zu wachsender Ungleichheit für die meisten führte.
Die These, dass der Neoliberalismus in seinem ungebremsten Gewinnstreben der Superreichen zu einer Rückkehr in den Feudalismus, also den Neofeudalismus, führt, lässt sich durch eine Betrachtung der Werte und Strukturen beider Systeme verdeutlichen. Im Liberalismus stehen individuelle Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Pluralismus, freier Markt und Gleichheit im Vordergrund. Schauen wir uns an, wie jedes dieser Rechte unter dem Neoliberalismus erodiert und uns näher an den Feudalismus bringt:
Individuelle Freiheit:
Liberalismus: Jeder Mensch hat das Recht, sein Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und Entscheidungen frei zu treffen.
Neofeudalismus: Die individuelle Freiheit wird zunehmend durch wirtschaftliche Zwänge eingeschränkt. Die Notwendigkeit, mehrere Jobs anzunehmen oder unter prekären Bedingungen zu arbeiten, mindert die tatsächliche Entscheidungsfreiheit vieler Menschen.
Beispiel: Der Rechtsruck in Deutschland bewirkt, dass Sozialleistungen gekürzt werden sollen. Den Klassismus gegen Migranten und Arbeitslose kennen wir bisher nur von der AfD, er wird nun aber zunehmend von Union und Ampel übernommen.
Rechtsstaatlichkeit:
Liberalismus: Der Rechtsstaat schützt die Rechte der Bürger und sorgt für Gerechtigkeit unabhängig von sozialem Status oder Reichtum.
Neofeudalismus: Die Einflussnahme der Reichen und Konzerne auf die Politik und Justiz führt zu einer Zweiklassen-Justiz, in der die Interessen der Wohlhabenden überproportional vertreten sind, während die Rechte der weniger Privilegierten oft vernachlässigt werden.
Beispiel: Immer wieder gibt es Sonderbehandlungen für die Reichen und Mächtigen. Ein drastisches Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist die de facto Immunität von Donald Trump, der durch den Supreme Court (SCOTUS) geschützt ist.
Demokratie:
Liberalismus: Demokratie bedeutet Teilhabe und Mitbestimmung aller Bürger an politischen Prozessen.
Neofeudalismus: Die politische Macht konzentriert sich in den Händen weniger, die durch Lobbyismus und Wahlkampffinanzierung überproportionalen Einfluss auf Entscheidungen nehmen. Dies führt zu einer Entfremdung der Bürger von der politischen Mitbestimmung.
Beispiel: Die Klimaschutzbewegung sorgte für ein großes Momentum, von dem die Grünen besonders profitierten. Sie traten auf als eine Partei, die sich für sozialgerechten Klimaschutz einsetzte. Doch nach nicht mal einer Amtsperiode hatten sie sich bereits selbst entzaubert, weil sie nicht den Wählerinteressen folgten, sondern sich den wirtschaftlichen Interessen von SPD und FDP beugten.
Pluralismus:
Liberalismus: Eine Vielfalt an Meinungen, Kulturen und Lebensstilen wird gefördert und geschützt.
Neofeudalismus: Mediale Monopole und die Dominanz weniger großer Konzerne ersticken den Pluralismus, indem sie den Diskurs kontrollieren und alternative Stimmen marginalisieren.
Beispiel: Die Macht der Springerpresse ist groß, und sie bestimmt maßgeblich den politischen Diskurs. Sie hat nicht nur im Alleingang die Wärmewende in Deutschland gestoppt und so eine Abkehr von fossilen Energieträgern verhindert, sondern verteidigt auch mit ihrem Klassismus die Interessen der Superreichen.
Freier Markt:
Liberalismus: Ein freier Markt soll durch Wettbewerb und Innovation Wohlstand für alle fördern.
Neofeudalismus: Der Markt wird durch Oligopole und Monopole dominiert, die den Wettbewerb verzerren und die Preise diktieren. Kleine Unternehmen und Start-ups haben kaum eine Chance, sich gegen die Übermacht der Großkonzerne durchzusetzen.
Beispiel: In der Regel werden alle Märkte von wenigen großen Herstellern dominiert. Die Lebensmittelindustrie ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Handvoll Unternehmen einen Markt für sich aufteilen. Nestlé besitzt alleine über 2.000 verschiedene Marken, die den Konsumenten eine scheinbare Vielfalt suggerieren sollen.
Gleichheit:
Liberalismus: Alle Menschen sollen die gleichen Chancen und Rechte haben.
Neofeudalismus: Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst stetig, was zu einer immer ungleicher werdenden Verteilung von Chancen und Rechten führt. Soziale Mobilität wird immer schwieriger, während die Eliten ihre Privilegien festigen.
Beispiel: Wer heute Gastronomie betreiben will, muss schon etwas Außergewöhnliches bieten. Ein Restaurantbesuch wird zu einem Event, zu einem Erlebnis, und das ist nicht günstig. Um in der Gastronomie überleben zu können, muss man der Kundschaft etwas bieten, denn die Kundschaft, die sich einen Restaurantbesuch leisten kann, schrumpft. Die gesellschaftliche Teilhabe beschränkt sich auf immer weniger Menschen.
Milliardäre und Konglomerate beherrschen schon heute unser Leben. Wir arbeiten für ihren Wohlstand und unser Überleben. Den Lohn für unsere Arbeit geben wir ihnen in Form von Miete und Konsum wieder zurück.
Die linken Parteien wurden zu konservativen Parteien degradiert, die den Status quo verteidigen, während rechtsextreme Parteien radikale Veränderungen fordern, wie die Abschaffung von demokratischen Kontrollinstanzen und den Aufbau von autokratischen Scheindemokratien. Für viele Wähler scheint ein 'Weiter so' keine Lösung mehr zu sein, und sie wählen deswegen vermeintliche Alternativen.
Doch den Superreichen kann es egal sein. Sie profitieren vom bestehenden System - aber noch mehr, wenn Rechtspopulisten oder Rechtsextreme gewinnen. Superreiche sind die einzigen Gewinner, wenn der Sozialstaat geschwächt und ausgehöhlt wird. Je radikaler, umso besser. Wer kein Arbeitslosengeld bekommt, wird in die Lohnarbeit gezwungen. Wessen Rente nicht reicht, muss zusätzlich Geld verdienen. Ein Überangebot von Bewerbern sorgt für eine Abwärtsspirale in der Lohnentwicklung. Geschwächte Gewerkschaften, geringere Umweltauflagen und Dumpinglöhne führen zu höheren Gewinnmargen. Darum unterstützen rechte Milliardäre wie Elon Musk und Peter Thiel einen Donald Trump. Es geht ihnen hauptsächlich um mehr Macht und mehr Geld – die Ideologie ist, zumindest bei Musk, Nebensache.
Bei einem sind sich alle einig: Der Neoliberalismus ist am Ende.
Und während wir noch auf der Suche sind, wie wir den Mittelstand retten und die Menschen aus der Armut holen können, ohne den Groll der Milliardäre auf uns zu ziehen, haben sich diese schon lange für ein neues System entschieden, welches ihnen mehr Macht und mehr Geld verleiht: den Neofeudalismus.